Sonntag, 12. Mai 2019

850km - von der russischen Grenze bis nach Wolgograd

Nach fünf Nächten in Kharkiv ging es nun endlich wieder weiter Richtung russischer Grenze. Ebenso wie Fabio, freute ich mich wieder extrem auf das Weiterfahren! Immer öfters, wenn wir für einige Tage in einem Hostel sind, oder eingeladen werden, merke ich, wie mir das Zelt und das abenteuerliche Leben abgeht. Für mich ist unser alltägliches Fahrradleben jetzt schon das normalste auf der Welt. Jeden Abend neue Zeltplätze zu finden, jeden Tag zu hundert Prozent ausnützen! Das bedeuted für mich wirklich zu leben! Nun ist aber Schluss mit der Reiseromantik...! Nach Kharkiv verbrachten wir noch eine Nacht im Zelt, damit wir gegen Mittag des 27.05 an der russischen Grenze ankommen. Eine genaue Punktlandung! Denn unser russischen Visum ist vom 27.05 bis 26.06 gültig. Wir waren beide komischerweise sehr entspannt und hatten auch ein gutes Gefühl. Was soll denn eigentlich passieren?! Wir haben ein russischen Visum und noch dazu ist es eine internationale Grenzstation, daher sollte es kein Problem sein mit dem Rad einzureisen. Also fuhren wir ca 30km bis zur Grenze. Als wir mit den Rädern anrollten, sahen wir einen kilometerlangen Stau! Wir konnten es gar nicht glauben. Es war absolutes Neuland für uns. Solche Grenzen sind wir (Gott sei Dank) in der europäischen Union nicht gewohnt. Wir schlängelten uns bei den Autos vorbei, bis wir von einem ukrainischen Polizisten auf die Fußgängerzone gewiesen wurden. Die erste lange Wartezeit begann...ca 1:30 Stunde warteten wir bei der Passkontrolle (wohlgemerkt noch auf der ukrainischen Seite!). Danach ging es zwischen Zäunen weiter Richtung russischen Grenzposten. Abermals warteten wir ca 45min bis wir unser Einreiseformular bekamen und weiterdurften. Ein letztes Mal warten durften wir auch noch! Bis wir die Passkontrolle hatten, verging ca eine weitere Stunde. Nach der Passkontrolle folgte der letzte Akt und zwar die Zollkontrolle! Ein sehr unmotiviert blickender Grenzbeamte schaute kurz in unsere Taschen und winkte uns durch. Somit waren wir nun wirklich, mit dem Rad in Russland! Unvorstellbar. Als wir unsere Räder durch das Zollgebiet schoben, überlegten wir, wielang man ca als Autofahrer an der Grenze verliert. Bei uns waren es gute drei Stunden und das ist im Verhältnis wahrscheinlich extrem kurz! Über die LKW Fahrer will ich garnicht schreiben, sie verlieren wahrscheinlich Tage...
Wir entschieden uns dazu weitere 50km bis nach Belgorod zufahren um dort essen und Wasser zukaufen. Es ging sehr gut dahin! Die russischen Straßen sind in einem sehr guten Zustand. Die weiteren Tage, ging es bei nicht so gutem Wetter, weiter Richtung Woronesch. Langsam gewöhnten wir uns auch an die größeren Distanzen, die in Russland herrschen. 500km sind ein Katzensprung!


Einer der vielen Autostraßen in Russland

In Woronesch angekommen, entschlossen wir uns, eine russische Sim-Karte zukaufen, damit wir auf den sozialen Netzwerken aktiv sein können. Das Wetter blieb leider weiterhin nicht wirklich gut. Ab Woronesch ging es nach Borissoglebsk. Nun wurde das Wetter auch immer besser. Wir kamen wirklich sehr gut voran. Im Durchschnitt fuhren wir ca 75km. Ein Tag, bevor wir in Borissoglebsk ankommen sollten, entschlossen wir uns die 100km Marke zu überbieten. Keine Ahnung wieso, aber es war von Anfang an ein kleines Ziel diese Marke zu erreichen. Und wir knackten sie auch! 102km standen am Ende des Tages auf unserem Tachometer. Wir waren extrem glücklich, aber auch sehr erschöpft! 


Ein kurzes Pausenschläfchen darf natürlich auch nicht fehlen!

Als wir unser russisches Visum beantragten, mussten wir ebenfalls ein paar Städte angeben durch die wir fahren werden. Wir haben damals aber eine andere Route angegeben. Und diese „offizielle Route“ haben wir in Borissoglebsk verlassen. Wir haben Rücksprache mit unserer „Visa Agentin“ gehalten und sie meinte es sei kein Problem. So entschlossen wir uns, weiter nach Wolgograd zufahren! Die Veränderung der Landschaft fiel uns langsam auch schon auf. Von typisch russischen Wäldern zu beginnenden Steppengebieten und endlosen Weiten. 


Einer von vielen unglaublich schönen Abenden

Der Sommer kehrte nun endlich auch ein. Kurzärmeliges Leiberl und kurze Hose konnten wir uns sparen, da wir sonst sofort einen Sonnenbrand hätten. Ich tat mir die letzten Tage vor Wolgograd etwas schwer. Meine Oberschenkel und Knien schmerzten...nun wurde mir wieder bewusst, dass ich eigentlich seit zwei Monaten nur am Rad sitze. Aber zur rechten Zeit kamen wir in Wolgograd an! Als wir beim Fahrradladen in Kharkiv waren, meinte ein Mitarbeiter, dass er einen Freund in Wolgograd habe und wir eventuell bei ihm ein paar Nächte verbringen könnten. Diesem Freund, namens Alex schrieben wir. Wir kamen beim geplanten Treffpunkt in Wolgograd an und irgendwie war das für uns etwas komisch, weil wir vor einem ziemlich luxuriösem Haus standen. Alex empfing uns und meinte wir können uns frisch machen und danach würde er mit uns in die Stadt fahren um ein paar Dinge zu besorgen. Dies machten wir dann auch...mit einem Chauffeur und einem sehr noblen Mercedes fuhren wir durch die Stadt. Die Stadt war voll mit tausenden von Menschen. Der neunte Mai ist ein Feiertag in Russland, dabei wird der Sieg des zweiten Weltkriegs gefeiert. 


Die Statue Motherland!





'The eternal fire'!





Mittlerweile erfuhren wir auch, dass das Haus ein „Officehaus“ ist. Es wird also nur darin gearbeitet, richtig wohnen tut hier niemand. 



Hier sind wir zurzeit untergebracht


In der Stadt trafen wir dann den Chef der Firma, Yuri. Er erzählte uns viel über die Geschichte der Stadt, wir gingen ins Museum und als Draufgabe fuhren wir noch mit seinem Motorboot ca 1 Stunde auf der Wolga! 



Bootsfahrt auf der Wolga


Ein unglaublicher Tag! Wir taten uns schwer, dies alles zu realisieren. Daraufhin beschlossen wir auch bis Montag hier zu bleiben, denn Alex meinte, dass wir solange hier bleiben können wie wir wollen. Nun erledigen wir wieder einige organisatorische Dinge, werden ein wenig entspannen, bevor es weiter Richtung Astrachan und Kasachstan geht!

Do tekh por!

Elias




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Mittwoch, 1. Mai 2019

"Zwangspause" in Charkiv

Nikolay, unser "Kontaktmann" aus Charkiw ließ auch nicht lange auf sich warten. Er begrüßte uns mit einem breitem Grinser im Gesicht und mit dem Handy in der Hand. Er kann, leider wie so viele seiner Landsmänner, kein Englisch. Deswegen musste wieder mal "google translate" als Kommunikationshilfe herhalten. Er brachte uns zu einem sehr neuen und feinen Hostel und bezahlte uns die erste Nacht. Unglaublich! Damit hatten wir nicht gerechnet! Er wartete in der Lobby auf uns, während wir seit 14 Tagen das erste Mal in den Genuss einer Dusche kamen, es war herrlich! Ich fühlte mich schon so dreckig und ekelhaft, ich konnte mich schon selber riechen. Ich glaube, wenn man selber bemerkt, dass man stinkt ist es wahrscheinlich schon ziemlich schlimm. Frisch geduscht wurden wir von Nikolay, seinem Halbbruder, seinem Bruder und dessen Freundin empfangen. Zu sechst fuhren wir mit einem fünf Mann Auto in die Innenstadt um etwas zu essen. Nikolay's Bruder war Polizist und konnte sehr gut Englisch, was die Kommunikation natürlich erheblich vereinfachte. Nach dem Essen halfen sie uns bei den Sachen die wir noch zu erledigen hatten. Sie zeigten uns ein Radgeschäft, bei dem wir in den nächsten Tagen einen neuen Reifen kaufen sollten und fuhren mit uns zum Baumarkt, wo wir uns eine Unterlage für unser Zelt besorgten. Im Gegensatz zu den österreichischen Baumärkten war Personal anwesend und wir wurden gut beraten. Nachdem alles erledigt war, fuhren wir gemeinsam in den "Gorki Park", ein sehr bekannter Park in Charkiw in dem es Sportplätze, einen Vergnügungspark und des öfteren Konzerte gibt.


wir mit Nikolay's Familie 

die Hauptallee im Gorki Park 

Nach circa einer Stunde verließ uns Nikolay's Bruder und dessen Freundin und wir gingen mit Nikolay und seinem Halbbruder zu Fuß weiter. Wir spazierten noch bis in die Abendstunden in der Stadt herum, ehe wir uns in ein Lokal setzten. In dieser Bar war es üblich, dass man zum Bier einen getrockneten Fisch dazu bekam. Da ich generell ein großer Fan von allen Fischen bin, war ich sehr begeistert von dieser Tradition. Nikolay erklärte uns, dass das keine Seltenheit ist und viele Ukrainer getrockneten Fisch zum Bier essen. 


frisch geduscht in der Bar 

zu jedem Bier ein Fisch 

Als es schon nach Mitternacht war, fuhren wir mit der U-Bahn zurück zu unserem Hostel.
Als ich von einer weiteren Dusche zurückkam, sah ich Elias wie er von mehreren Leuten umringt war, denen er die Geschichte unserer Reise erzählte. Anhand der Weltkarte die im Aufenthaltsraum des Hostel hing, zeigte er ihnen die Route. Das tolle am Hostel war, dass (bis auf die Angestellten) jeder Englisch sprach. Ich glaube ich kann sagen, dass wir in den fünf Tagen die wir dort verbracht haben, mehrere neue Freunde kennengelernt haben. Das spannendste aber an solchen Unterkünften sind die Menschen die man trifft. Da war zum Beispiel Mohammed, ein 35 jähriger Programmierer aus Somalia, der von dort aus arbeitet wo es ihm gerade am besten gefällt, oder der 23 jährige Dennis aus der Nähe von Kiev, der ohne viel Geld nach Charkiv zog um hier sein Glück zu versuchen. Mit Abstand der "verrückteste" war aber Manuel, ein 30 jähriger gelernter Landwirt aus der Schweiz, der in seiner Heimat ein paar Sätze russisch gelernt und sich ein Zugticket nach Charkiv gekauft hat, um irgendwo in der Ukraine einen Bauernhof aufzumachen. Zwei Tage bevor wir Charkiw verlassen haben ist er zurück nach Lwiw gefahren, weil er dort ein Praktikum auf einem Hof gefunden hat und er sich bezüglich einer längeren Aufenthaltsgenehmigung erkundigen möchte. Mir taugt es immer, wenn ich Leute treffe, die einen etwas anderen Weg in ihrem Leben wählen. Die Geschichten und Erlebnisse von solchen Menschen inspirieren und motivieren mich sehr.
Ein Umstand der mir seit Anbeginn unserer Reise immer wieder auffällt ist der, dass viele Leute der Meinung sind Österreich sei das perfekte Land schlechthin. Als ich Nikolays Bruder fragte warum es verboten sei im "Gorki Park" am Boden zu sitzen, antwortete er mir, dass die Ukrainer, im Gegensatz zu den Österreichern, ihren Müll nicht mitnehmen, wenn sie wieder gehen. Ich muss echt schmunzeln bei dem Gedanken, dass er einmal an einem warmen Sommerabend in den Grazer Stadtpark geht und bemerkt, dass die Österreicher doch nicht soo reinlich sind wie er glaubt.
Ein weiteres lustiges Beispiel war Dennis. Als wir Kaffee trinken waren, fragte er mich, ob ich weiß warum die Stühle im Gastgarten zusammengekettet sind. Ich erwiderte: "damit sie nicht gestohlen werden, gleich wie in meiner Heimatstadt". Dennis wollte mir nicht glauben, dass auch österreichische Cafés über die Nacht ihre Stühle gegen Diebstahl sichern, er dachte das sei typisch ukrainisch. Er war tatsächlich der Meinung, dass in Österreich niemand klaut. Das waren jetzt nur zwei Beispiele, uns sind aber während der Reise schon oft ähnliche "Vorurteile" untergekommen. Ich weiß nicht warum und woher die Leute so ein realitätsfernes Bild von Österreich haben, aber es ist auf jeden Fall witzig, wenn man ihnen erklärt, dass es doch nicht so ist.
Die nächsten Tage in Charkiw hatten wir viel organisatorisches zu erledigen. Wir sicherten unsere ganzen, bisher auf den Kameras gespeicherten, Video und Fotodaten, beantworteten Emails und schrieben Blogeinträge. Da ich einen Socken verlor und ein weiterer mittlerweile zuviele Löcher hatte, kaufte ich mir zwei neue Paare. Wir fuhren zum Fahrradladen und rüsteten unsere Reifen auf ein stärkeres Modell um. Es war nicht unbedingt nötig, aber wir wollten auf Nummer sicher gehen und uns zukünftigen Ärger mit häufigem Schlauch picken ersparen.


die Fahrradladen Crew 

die neuen Reifen sind da! 

Auch unser technisches Equipment stockten wir ein wenig auf, ein Stick für unsere Action Kamera und zwei Kopfhörer vervollständigen jetzt unsere Ausrüstung. Die fünf tägige Zwangspause bis zu unserem russischen Visum kam uns also gar nicht so ungelegen. Als Außenstehender glaubt man gar nicht an was man alles, zusätzlich zum Radeln, denken muss.
Den letzten Abend verbrachten wir wieder mit Nikolay. Zusammen mit seinem Freund Roma zeigte er uns einen, uns noch unbekannten, Stadtteil. Wir gingen am Fluss..entlang und tranken Bier. Ein sehr schöner und toller letzter Tag. Obwohl ich mich in Charkiw sehr wohl fühle, freue ich mich jetzt schon auf die Weiterfahrt und auf mein Bike! Mein Rad, die Straße und meinen Schlafsack vermisse ich nämlich schon! 

Бувай
Fabio


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